Defoe Daniel Kapitän Singleton 

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Was meinen Reichtum betraf, der ungeheuer groß war, so
empfand ich ihn wie den Sand unter meinen Füßen; ich maß
ihm keinen Wert bei, empfand keinen Frieden bei dem
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Gedanken, ihn zu besitzen, und keine große Sorge bei der
Vorstellung, ihn aufgeben zu müssen.
William hatte bemerkt, daß mich seit einiger Zeit düstere
Gedanken heimsuchten und ich schwermütig und bedrückt war,
und eines Tages, bei einem unserer Spaziergänge in der
Abendkühle, begann ich mit ihm darüber zu sprechen, daß wir
unseren Besitz aufgeben sollten. William war ein weiser und
vorsichtiger Mann, und tatsächlich beruhte die ganze Klugheit
meines Verhaltens schon lange auf seinem Rat; so lagen jetzt
alle Maßnahmen, die dazu dienten, unser Eigentum und sogar
unser Leben zu bewahren, in seiner Hand, und er berichtete mir
eben über einige Vorkehrungen, die er für unsere Heimreise
und zur Sicherung unseres Reichtums getroffen hatte, als ich
ihn jäh unterbrach.
 William, glaubst du eigentlich, daß wir mit dieser ganzen
Ladung, die wir bei uns haben, Europa erreichen werden?
 Gewiß doch , sagte William,  zweifellos ebenso wie andere
Kaufleute mit ihren Waren, solange nicht öffentlich bekannt
wird, wie viele es sind und welchen Wert sie haben.
 Wieso, William? erwiderte ich lächelnd.  Glaubst du etwa,
daß, wenn es über uns einen Gott gibt, wie du mir so lange
schon versicherst, und wir vor ihm Rechenschaft ablegen
müssen  glaubst du also, daß er uns, wenn er ein gerechter
Richter ist, so mit dem Diebesgut, wie wir es ja nennen
können, das wir so vielen unschuldigen Menschen, ja ich kann
sogar sagen, Völkern, geraubt haben, davonkommen lassen und
nicht Rechenschaft von uns fordern wird, bevor wir nach
Europa gelangen, wo wir es genießen wollen?
William schien diese Frage zu überraschen und zu verblüf-
fen, und er antwortete lange nicht darauf. Ich wiederholte sie
und setzte hinzu, das sei nicht zu erwarten.
Nach einer kleinen Pause sagte William:  Du hast da ein
gewichtiges Thema berührt, und ich kann keine eindeutige
Antwort darauf geben. Ich will aber zunächst folgendes
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feststellen: Freilich trifft es zu, daß wir in Anbetracht von
Gottes Gerechtigkeit keinen Grund haben, irgendwelchen
Schutz zu erwarten; da aber die üblichen Wege der Vorsehung
außerhalb der gewöhnlichen Wege menschlicher Angelegen-
heiten liegen, können wir trotz alledem auf Gnade hoffen,
wenn wir bereuen, denn wir wissen nicht, wie gütig er sich uns
erweisen wird; deshalb müssen wir handeln, als verließen wir
uns eher auf diese, ich meine auf seine Gnade, als auf das, was
jene verheißt, die nur Verurteilung und Rache zur Folge haben
kann.
 Aber so hört doch, William , sagte ich,  zur Reue gehört
Besserung, wie du mir einmal angedeutet hast, und wir werden
uns niemals bessern können. Wie können wir dann also
bereuen?
 Warum können wir uns denn niemals bessern? fragte
William.
 Weil wir das, was wir durch Gewalttätigkeit und Raub
genommen haben, nicht zurückerstatten können , sagte ich.
 Das stimmt , erwiderte William,  das können wir nicht,
denn wir können ja nicht mehr erfahren, wer die Eigentümer
sind.
 Was sollen wir dann aber mit unserem Reichtum anfangen ,
sagte ich,  diesem Ergebnis von Plünderung und Gewalt?
Behalten wir ihn, dann sind wir auch weiterhin Räuber und
Diebe, und geben wir ihn auf, können wir keine Gerechtigkeit
damit üben, denn wir können ihn ja den rechtmäßigen Eigen-
tümern nicht zurückerstatten.
 Nun , sagte William,  die Antwort darauf ist kurz. Unseren
Besitz jetzt hier aufzugeben bedeutet, ihn denen hinzuschmei-
ßen, die kein Anrecht darauf haben, und uns seiner zu entäu-
ßern, ohne etwas Gutes damit zu tun; statt dessen sollten wir
ihn sorgfältig beisammenhalten und beschließen, soviel Gutes
damit zu tun, wie wir nur können, und wer weiß, welche
Gelegenheit uns die Vorsehung in die Hände geben wird,
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Gerechtigkeit wenigstens an einigen von denen zu üben, die
wir geschädigt haben. Wir sollten die Sache also zumindest
Gott überlassen und weiterreisen. Gegenwärtig besteht unsere
Aufgabe zweifellos darin, uns an irgendeinen Ort zu begeben,
wo wir in Sicherheit sind, und dort dürfen wir seinen Willen
abwarten.
Dieser Entschluß Williams befriedigte mich wirklich sehr,
und tatsächlich war alles, was er sagte, immer gediegen und
begründet, und hätte William nicht auf diese Weise mein
Gemüt beruhigt, dann wäre ich wohl, so glaube ich wahrhaftig,
aus lauter Unruhe über die gerechte Strafe, die ich vom
Himmel für meinen unredlich erworbenen Reichtum zu
erwarten hatte, vor diesem davongelaufen als vor Teufelsgut,
mit dem ich nichts zu tun hatte, das mir nicht gehörte, das ich
von Rechts wegen nicht behalten durfte und das mich ganz
gewiß in die Gefahr der Vernichtung brachte.
William lenkte meine Gedanken jedoch in vorsichtigere
Bahnen, als es diese gewesen wären, und ich schloß, daß ich
jedenfalls an einen sicheren Ort weiterreisen und die Sache
Gottes allmächtiger Barmherzigkeit überlassen sollte. Ich muß
aber ausdrücklich erwähnen, daß ich von diesem Zeitpunkt an
keine Freude mehr an dem Reichtum hatte, den ich besaß. Ich
betrachtete ihn insgesamt als gestohlen, und der größte Teil
davon war es auch. Ich betrachtete ihn als eine Anhäufung vom
Besitz anderer Menschen, den ich den unschuldigen Eigentü-
mern geraubt hatte und wofür ich, kurz gesagt, verdient hätte,
in dieser Welt gehängt und in der nächsten verdammt zu
werden. Jetzt begann ich mich ernsthaft als einen Hund zu
hassen, als einen Schuft, der ein Dieb und ein Mörder gewesen
war  als einen Schuft, der sich in einer Lage befand wie noch
keiner vor ihm, denn ich hatte geraubt; und obgleich ich den
Reichtum bei mir hatte, war es unmöglich, ihn jemals zurück-
zuerstatten, und deshalb setzte ich mir in den Kopf, daß ich
niemals bereuen könne, denn Reue ohne Rückerstattung könne
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nicht aufrichtig sein und deshalb müsse ich verdammt werden.
Es gab kein Entkommen für mich. Ich ging umher, das Gemüt
voll von solchen Gedanken, fast wie ein Wahnsinniger; kurz,
ich stürzte mich Hals über Kopf in die schrecklichste
Verzweiflung und dachte nur noch daran, wie ich mich aus der
Welt befördern könne; der Teufel, wenn solcherlei Dinge das
unmittelbare Werk des Teufels sind, tat seine Arbeit sehr eifrig
bei mir, und ich hatte mehrere Tage lang weiter nichts im Sinn
als nur, mir mit der Pistole eine Kugel in den Kopf zu schießen.
Ich führte während dieser ganzen Zeit ein unstetes Leben
unter Ungläubigen, Türken, Heiden und dergleichen Leuten.
Ich hatte keinen Geistlichen, keinen Christen, mit dem ich
sprechen konnte, als nur den bedauernswerten William. Er war
mein geistlicher Berater oder Beichtvater und aller Trost, den
ich besaß. Was meine Kenntnis der Religion betrifft, so hat der
Leser ja meine Geschichte erfahren. Er mag sich vorstellen,
daß sie nicht weit reichte, und was Gottes Wort anbelangt, so
erinnere ich mich nicht, jemals im Leben ein Kapitel aus der
Bibel gelesen zu haben. Ich war wie der kleine Bob in Bussle-
ton und ging zur Schule, um mein Altes und Neues Testament
zu lernen.
Es gefiel Gott aber, William, den Quäker, zu allem für mich
zu machen. Bei dieser Gelegenheit ging ich wie gewöhnlich [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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