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Wie das Weib dem Mann gegeben Als die schoenste Haelfte war, Ist die Nacht das
halbe Leben, Und die schoenste Haelfte zwar.
Koennt ihr euch des Tages freuen, Der nur Freuden unterbricht? Er ist gut, sich zu
zerstreuen; Zu was anderm taugt er nicht.
Aber wenn in naecht'ger Stunde Suesser Lampe Daemmrung fliesst Und vom Mund
zum nahen Munde Scherz und Liebe sich ergiesst;
Wenn der rasche, lose Knabe, Der sonst wild und feurig eilt, Oft bei einer kleinen Gabe
Unter leichten Spielen weilt;
Wenn die Nachtigall Verliebten Liebevoll ein Liedchen singt, Das Gefangnen und
Betruebten Nur wie Ach und Wehe klingt:
Mit wie leichtem Herzensregen Horchet ihr der Glocke nicht, Die mit zwoelf
bedaecht'gen Schlaegen Ruh und Sicherheit verspricht!
Darum an dem langen Tage Merke dir es, liebe Brust: Jeder Tag hat seine Plage, Und
die Nacht hat ihre Lust.
Sie machte eine leichte Verbeugung, als sie geendigt hatte, und Serlo rief ihr ein lautes
Bravo zu. Sie sprang zur Tuer hinaus und eilte mit Gelaechter fort. Man hoerte sie die
Treppe hinunter singen und mit den Absaetzen klappern.
Serlo ging in das Seitenzimmer, und Aurelie blieb vor Wilhelmen, der ihr eine gute
Nacht wuenschte, noch einige Augenblicke stehen und sagte.
"Wie sie mir zuwider ist! recht meinem innern Wesen zuwider! bis auf die kleinsten
Zufaelligkeiten. Die rechte braune Augenwimper bei den blonden Haaren, die der
Bruder so reizend findet, mag ich gar nicht ansehn, und die Schramme auf der Stirne
hat mir so was Widriges, so was Niedriges, dass ich immer zehn Schritte von ihr
zuruecktreten moechte. Sie erzaehlte neulich als einen Scherz, ihr Vater habe ihr in
ihrer Kindheit einen Teller an den Kopf geworfen, davon sie noch das Zeichen trage.
Wohl ist sie recht an Augen und Stirne gezeichnet, dass man sich vor ihr hueten
moege."
Wilhelm antwortete nichts, und Aurelie schien mit mehr Unwillen fortzufahren:
"Es ist mir beinahe unmoeglich, ein freundliches, hoefliches Wort mit ihr zu reden, so
sehr hasse ich sie, und doch ist sie so anschmiegend. Ich wollte, wir waeren sie los.
Auch Sie, mein Freund, haben eine gewisse Gefaelligkeit gegen dieses Geschoepf, ein
Betragen, das mich in der Seele kraenkt, eine Aufmerksamkeit, die an Achtung grenzt
und die sie, bei Gott, nicht verdiente"
"Wie sie ist, bin ich ihr Dank schuldig", versetzte Wilhelm; "ihre Auffuehrung ist zu
tadeln; ihrem Charakter muss ich Gerechtigkeit widerfahren lassen."
"Charakter!" rief Aurelie, "glauben Sie, dass so eine Kreatur einen Charakter hat? O ihr
Maenner, daran erkenne ich euch! Solcher Frauen seid ihr wert!"
"Sollten Sie mich in Verdacht haben, meine Freundin?" versetzte Wilhelm. "Ich will von
jeder Minute Rechenschaft geben, die ich mit ihr zugebracht habe."
"Nun, nun", sagte Aurelie, "es ist spaet, wir wollen nicht streiten. Alle wie einer, einer
wie alle! Gute Nacht, mein Freund! gute Nacht, mein feiner Paradiesvogel!"
Wilhelm fragte, wie er zu diesem Ehrentitel komme.
"Ein andermal", versetzte Aurelie, "ein andermal. Man sagt, sie haetten keine Fuesse,
sie schwebten in der Luft und naehrten sich vom aether. Es ist aber ein Maerchen", fuhr
sie fort, "eine poetische Fiktion. Gute Nacht, lasst Euch was Schoenes traeumen, wenn
Ihr Glueck habt."
Sie ging in ihr Zimmer und liess ihn allein; er eilte auf das seinige.
Halb unwillig ging er auf und nieder. Der scherzende, aber entschiedne Ton Aureliens
hatte ihn beleidigt: er fuehlte tief, wie unrecht sie ihm tat. Philine konnte er nicht widrig,
nicht unhold begegnen; sie hatte nichts gegen ihn verbrochen, und dann fuehlte er sich
so fern von jeder Neigung zu ihr, dass er recht stolz und standhaft vor sich selbst
bestehen konnte.
Eben war er im Begriffe, sich auszuziehen, nach seinem Lager zu gehen und die
Vorhaenge aufzuschlagen, als er zu seiner groessten Verwunderung ein Paar
Frauenpantoffeln vor dem Bett erblickte; der eine stand, der andere lag.--Es waren
Philinens Pantoffeln, die er nur zu gut erkannte; er glaubte auch eine Unordnung an den
Vorhaengen zu sehen, ja es schien, als bewegten sie sich; er stand und sah mit
unverwandten Augen hin.
Eine neue Gemuetsbewegung, die er fuer Verdruss hielt, versetzte ihm den Atem; und
nach einer kurzen Pause, in der er sich erholt hatte, rief er gefasst:
"Stehen Sie auf, Philine! Was soll das heissen? Wo ist Ihre Klugheit, Ihr gutes
Betragen? Sollen wir morgen das Maerchen des Hauses werden?"
Es ruehrte sich nichts.
"Ich scherze nicht", fuhr er fort, "diese Neckereien sind bei mir uebel angewandt."
Kein Laut! Keine Bewegung!
Entschlossen und unmutig ging er endlich auf das Bette zu und riss die Vorhaenge
voneinander. "Stehen Sie auf", sagte er, "wenn ich Ihnen nicht das Zimmer diese Nacht
ueberlassen soll."
Mit grossem Erstaunen fand er sein Bette leer, die Kissen und Decken in schoensten
Ruhe. Er sah sich um, suchte nach, suchte alles durch und fand keine Spur von dem
Schalk. Hinter dem Bette, dem Ofen, den Schraenken war nichts zu sehen; er suchte
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